Reden

Zielabweichung vom RegFNP zu Gunsten der Umwandlung der ehemaligen Gewerbefläche „manroland“ in ein Wohngebiet

Rede Kai Gerfelder zur Sitzung der RVS am 24.04.2015 in Dietzenbach
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass ich heute die Gelegenheit habe, als kommunalpolitisch Verantwortlicher in Mainhausen auch in der Regionalversammlung Südhessen einige Worte zum Zielabweichungs-verfahren „manroland Mainhausen“ sprechen zu dürfen.
Handelt es sich bei der Flächenkonversion des Industriegeländes doch nach unserem Dafürhalten - an dieser Stelle darf ich Bürgermeisterin Ruth Disser herzlich begrüßen - um das wichtigste Projekt der Gemeinde, seit dem Abwehrkampf gegen die Sonderabfalldeponie der HIM in den achtziger Jahren.

rede_manroland_rvs_2015_04_24_500

Das Vorhaben birgt aber auch zahlreiche Fragen- und Aufgabenstellungen, die von regionalplanerischer Relevanz sind und damit Bedeutung über die lokalen Grenzen der Gemeinde oder des Ostkreises Offenbach hinaus haben.

Erfasst vom Strukturwandel in der Druckmaschinenbranche - der an dieser Stelle Beispielhaft für Veränderungen in der Arbeitswelt auch an anderen Orten der Rhein-Main-Region steht - ist der größte Arbeitgeber Mainhausens binnen kurzer Zeit von der Bildfläche verschwunden.

Während Mitte der neunziger Jahre noch 1.200 Beschäftigte auf dem Gelände arbeiteten, stehen dort seit etwa fünf Jahren die Räder still. Wo vor wenigen Jahren noch Generationen von Arbeiterfamilien - vom Großvater bis zum Enkel - gemeinsam am Band malochten, ist schnell gähnende Leere eingekehrt.

Zunächst standen die sozialen Belange der Arbeitnehmerschaft bedingt durch den Verlust der zahlreichen Arbeitsplätze im Vordergrund. Schnell aber stellte sich auch die Frage nach einer weiteren Nutzung des Geländes. So galt es von Anfang an, eine hässliche Industriebrache zu vermeiden.

Die Option das Gelände nach einem zuvor vereinbarten Maßstab zwischen Gemeinde und dem damaligen Eigentümer manroland aufzuteilen und im Gegenzug entsprechendes Baurecht zu schaffen, kam mit der endgültigen manroland-Insolvenz nicht zum Tragen. Die neuen Eigentümer entschieden sich vielmehr dafür, das Gelände im Rahmen eines Bieterverfahrens in Gänze zu verkaufen, um damit Vermarktungsrisiken auszuschließen.

Inzwischen ist die Firma Aurelis (Herr Schütz ist heute auch anwesend) Eigentümer des Geländes. Ziel der Planung ist es nun, eine attraktive standortverträgliche Wohnbebauung zu entwickeln, die überwiegend aus freistehenden Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften, Reihenhäusern und in untergeordnetem Umfang auch Mehrfamilienhäusern bestehen soll.

Es werden nach derzeitigem Planungsstand 284 Wohneinheiten entstehen, die Platz für bis zu 700 Menschen bieten. Um eine Relation herzustellen: Mainhausen hat etwa 9.000 Einwohner, der Ortsteil Mainflingen etwa 4.000.

Darüber hinaus sollen bei der Planung zur Stärkung der Einzelhandelsstrukturen und der sozialen Infrastruktur in Mainhausen folgende Nutzungen vorgesehen und im Rahmen eines angebotsorientierten Bebauungsplans berücksichtigt werden:

-        Nahversorger als Einkaufsmöglichkeit für den täglichen Bedarf für das neu geplante Gebiet mit einer maximalen  

        Verkaufsfläche von 800 m²

-       Kinderbetreuungseinrichtung

-       Spielplatz

-       Sonderwohnform, z.B. in Form einer Einrichtung für Seniorenwohnen oder betreutes Wohnen.

Das manroland-Projekt ist daher ein herausragendes Beispiel für den Verlust an Industrie und produzierendem Gewerbe im RheinMain-Gebiet und den daraus resultierenden Herausforderungen an die Politik von der Kommune bis zur Regionalplanung.

Mit der neuen Nutzungsart steht die heutige Abweichungsentscheidung auch direkt als Beispiel für den Siedlungsdruck auf die Metropolregion. Und dies eben nicht wie so oft angenommen nur in Frankfurt und den direkten Anrainerkommunen.

Der Vorgang zeigt auch deutlich, dass die Regionalplanung, mit ihren langen Zeiträumen oftmals an ihre Grenzen gerät, wenn sich wirtschaftliche Entwicklungen vollziehen, die nicht oder nur bedingt vorhersehbar sind.

Nach den Diskussionen im Haupt- und Planungsausschuss kann ich heute für alle Fraktionen übereinstimmend fest halten, dass die vorgelegten Planungen im Sinne der von uns gesetzten Ziele sind. So gehen einher:

  • Die Minimierung von Flächenverbrauch bei gleichzeitiger Entsiegelung bereits genutzter Flächen.
  • Die Schaffung von Wohnraum in einer der Boomregionen Deutschlands.
  • Die Sicherstellung innerörtlicher (Nah-)Versorgungsstrukturen.
  • Eine Reaktion auf den demografischen Wandel durch ein entsprechendes Wohnraumangebot.

An dieser Stelle möchte ich noch auf einen Aspekt eingehen, der in den Diskussionen um bezahlbaren Wohnraum vielleicht zu wenig Berücksichtigung findet. So ist der enorme Siedlungsdruck auf Rhein-Main inzwischen auch in den kleinen Gemeinden am Rande des Ballungsraumes angekommen.

In Anbetracht der enormen Nachfrage nach Wohnbauflächen auch am Rand des Regionalverbandsgebietes, kann nicht nur die Rede vom ausschließlichen Wunsch nach urbanem Leben und Zuwanderung nur in die Kernstädte und die dort angrenzenden Kommunen sein.

Vielmehr folgen aus unseren Erfahrungen viele Menschen nach wie vor dem Ruf der Arbeit in die Rhein-Main-Region und wollen aber nach wie vor die Beschaulichkeit ländlicher Strukturen genießen.

Thomas Horn hat in anderen Zusammenhängen die Begriffe vom „Zauber der Kleinstädte“ und der „Erotik der Baumärkte“ geprägt. Ich möchte heute den Begriff der „Sinnlichkeit der Dörfer“ in unsere Arbeit einbringen und dafür plädieren den Bedarf an Flächen und die Entwicklungspotentiale in kleineren Orten nicht zu ignorieren.

Unter der Voraussetzung einer guten Verkehrsanbindung sind auch die Unterzentren am Rande der Region sehr gut nachgefragte Wohnstandorte, weil sie über einen hohen Freizeitwert und die Nähe zur Natur bergen.

In Mainhausen beziehungsweise im Ostkreis Offenbach ist dies speziell die Nähe zum Fluß, die zahlreichen Seen und Wälder und das mittelalterliche Seligenstadt, das ein sympathisch charmantes Wohnumfeld bietet. Und während in Frankfurt der „Runde Tisch Wohnen“ um Ergebnisse ringt, sind auch diese kleinen Kommunen am Rande in der Lage, verträglich nachgefragten Wohnraum zu schaffen: „manroland“ im sinnlichen Mainhausen ist hierfür nur ein Beispiel – allerdings wie ich meine: ein sehr gutes Beispiel.