Reden

Rede zum Änderungsantrag von CDU und SPD „Agenda für bezahlbares und energieeffizientes Wohnen im Kreis Offenbach“, Sitzung des Kreistages am 08.06.2016 in Dietzenbach

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Kollege Robert Müller,

Auch wenn die Fraktion der Grünen heute dem gemeinsamen Änderungsantrag der Koalition von SPD und CDU beigesprungen ist, gibt es doch einige kritische Anmerkungen zur Genese der inzwischen einvernehmlichen Position der drei Fraktionen. Lasen Sie mich hierzu einige Dinge ausführen. Schließlich basiert die gemeinsame Positionierung auf einem Antrag der Grünen – scheinbar!

„Mit seinen gegenwärtig rund 338.000 Einwohnern ist der Kreis Offenbach in Bezug auf die Einwohnerzahl der zweitgrößte Kreis in Hessen.

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen übersteigt mittlerweile bei Weitem das Angebot. Auch für die nahe Zukunft wird sich dieses Bild nicht wesentlich ändern, wenn in der Wohnraumversorgung nicht deutlich mehr geschieht.

Deshalb muss von Seiten des Kreises der Bau von mehr Sozialwohnungen unter Nutzung von Landesförderung vorangetrieben werden. Zusätzliche Flächen für Wohnungsbau, vorrangig für Wohnungen mit Sozialbindung, sind auszuweisen.

Die Wohnungsbauförderstelle des Kreises muss die Städte und Gemeinden, aber auch Wohnungsbaugesellschaften und private Investoren, beraten und koordinieren, damit mehr Wohnungsbauförderung im Kreis erfolgt.

Wir streben die Gründung einer kreisweiten Wohnungsbaugesellschaft an. Dabei ist zu prüfen, ob auf diesem Wege die Ressourcen in den einzelnen Städten und Gemeinden gebündelt werden können.
Belegungsbindungen für Sozialwohnungen, um Bestandswohnungen für Sozialwohnungssuchende bereit zu stellen, sollen angekauft werden.“

Was ich Ihnen gerade zitiert habe, ist ein Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD im Kreis Offenbach zur Kommunalwahl im März diesen Jahres.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten, was der Antragssteller des Ursprungsantrages die Fraktion von Bündnis `90 / Die Grünen in Ihrem Wahlprogramm unter dem Motto UNSER KREIS KANN MEHR. zur Problematik „Bezahlbarer Wohnraum“ angekündigt haben. Sie finden dort folgende Passage:

-Schweigen-

Was Sie gerade als deutliches Schweigen hören konnten, sind die Leerzeilen im Wahlprogramm der Grünen. Inhaltliche Lücken - gar Versäumnisse, an denen ein Kapitel „Bezahlbarer Wohnraum“ durchaus hätte eingebracht werden können.

In Anbetracht der konsequenten Formulierung von Leerzeilen im Wahlprogram der Grünen sind wir Sozialdemokraten deshalb erfreut, dass wir mit unserem Ansatz diese programmatische Lücke füllen dürfen und damit beweisen: Der Kreis kann tatsächlich mehr. Besonders freut uns, dass auch Landratskandidat Robert Müller dies erkannt hat und mit offensichtlich rein abgekupferter sozialdemokratischer Programmatik Pressemitteilungen (30.05.2016) verschickt.

Letztlich geht es aber weniger darum, wer sich welchen Themas zu welchem Zeitpunkt annimmt. Es geht auch nicht darum und wer von wem abschreibt. Es geht vielmehr darum, dass entsprechende Aktivitäten zu einem der drängendsten Probleme des Ballungsraumes entwickelt werden.

Aus diesem Grund hat die Koalition einen Antrag eingebracht, der den Wortlaut des Ursprungsantrages präzisiert und weitere Aspekte aufgreift, die bisher nicht enthalten sind. Lassen sie mich hierzu erläutern.

Punkt Eins des Ursprungsantrages entspricht im Wortlaut nahezu unserer Programmatik und ist somit nahezu vollständig in den Änderungsantrag eingeflossen. Lediglich mit dem Unterpunkt „Verfahrensbeschleunigung bei Bauanträgen“ haben wir ein Problem. Zum einen weil für die internen Verwaltungsabläufe immer noch der Kreisausschuss verantwortlich zeichnet, zum anderen, weil Genehmigungsverfahren einer entsprechenden Sorgfalt bedürfen, um einen rechtssicheren Abschluss zu erhalten.

Außerdem ist bereits bekannt, dass der Kreisausschuss im Rahmen des gemeinsamen Wirtschaftsförderprojektes von Kreis und Kommunen bereits eine Verfahrensbeschleunigung anstrebt. Eine entsprechende Beschlussfassung ist daher unnötig.

Wie bereits erwähnt, ist es insbesondere im Sinner meiner Fraktion, dass die Schaffung einer Wohnungsbaugesellschaft bzw. die Kooperation der bestehenden Wohnungsbaugesellschaften mit den Städten und Gemeinden geprüft wird. Insbesondere Kommunen ohne eigene Gesellschaft verfügen über wenig bis gar keine Möglichkeiten, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen.

Da die Erreichung der Ziele des Hessischen Energiegipfels auch bei erhöhter Bautätigkeit im unteren Preissegment nicht aus den Augen verloren werden darf, halten wir es für besonders wichtig auf die Fördermöglichkeiten des Niedrigenergie- und Passivhausstandards zu verweisen. Oftmals fehlt das Bewusstsein, das mit Hilfe einer entsprechenden Inanspruchnahme von Fördermitteln ein echter Qualitätsschub bei der Senkung der Energiekosten erreicht werden kann, der die Projekte nicht erheblich verteuert und der sich über Einsparung der Energiekosten mittel- bis langfristig amortisiert.

Letztlich obliegt die Schaffung von Wohngebieten und die Aufstellung von Bebauungsplänen aber den Städten und Gemeinden. Im Bereich des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain waren von den gut 2.300 Hektar Reserveflächen für Wohnen im Regionalen Flächennutzungsplan (Wohnbauflächen und 50 Prozent der Mischbauflächen) zum Jahresende 2015 erst rund 11Prozent „verbraucht“. Daher stehen im Verbandsgebiet immer noch umfangreiche Reserven für Wohnen in einer Größenordnung von etwa 2.100 Hektar zur Verfügung. Das bedeutet umgerechnet in etwa Raum für 92.000 Wohnungen. Analog gilt dies auch für den Kreis Offenbach. Es ist daher unerlässlich, dass die Städte und Gemeinden die Ihnen angebotenen Flächen aus dem RegFNP entsprechend mit Bebauungsplänen versehen und somit ihrem Verwendungszweck zuführen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass auch entsprechend ein Augenmerk auf den Geschosswohnungsbau mit entsprechender Sozialbindung geachtet wird, wo dies angemessen erscheint. Das Schließen von Baulücken, die Nachverdichtung in bereits vorhandenen Wohngebieten, und Maßnahmen der Aufstockung müssen diese Maßnahmen natürlich flankieren, werden aber alleine unser Problem nicht lösen.

Hier schließt sich der Kreis zur Fraktion der Grünen im Kreis Offenbach. Meist ist es grüne Politik die Genehmigungsverfahren verzögert. Meist ist es grüne Politik die Vor-Ort die Ausweisung von Baugebieten verhindert – siehe Pfingstberg in Frankfurt. Und oft ist es grüne Politik, die die Städte und Gemeinden bevormundet und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch dogmatische Anwendung von Richtlinien zur Flächenkompensation einschränkt.

Es scheint gut, dass die Fraktion der Grünen den angespannten Wohnungsmarkt als Thema entdeckt hat. Es stört wenig, dass dies über eine Kopie unseres Wahlprogramms geschieht. Aber es ist notwendig, dass reale grüne Politik dieser großen Herausforderung, nicht weiterhin als Hemmschuh sondern als konstruktiver Beitrag begegnet. Dann wird grüne Politik in diesem Themenbereich auch ernst genommen.

Glück auf!

Kai Gerfelder