Reden

Rede des Stv. Vorsitzenden der SPD-Fraktion in der Regionalversammlung, Kai Gerfelder, zum Teilplan Erneuerbare Energien, Römer Frankfurt, 14.12.2018

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Regierungspräsidentin,

mein geschätzter Kollege Bernd Röttger von der CDU-Fraktion hat bereits weitreichend und ausführlich begründet, warum wir am heutigen Tage mit einem Änderungsantrag auf die Entwicklungen der letzten Wochen reagieren.

Ich werde diese Argumentation nicht erneut komplett vortragen, sondern möchte mich auf zwei Kernpunkte der Kritik konzentrieren. Zum einen die Abweichung vom schlüssigen Plankonzept durch die Kategorie „Taunusquarzit/Hermeskeil“.

Zum Anderen die von Regierungspräsidentin Lindscheid über die FAZ kommunizierte Entscheidungsfreiheit der Mandatsträger der RVS, angesichts einer verbliebenen Flächenkulisse von 1,7 Prozent abweichend vom schlüssigen Plankonzept noch Flächen zu streichen. Und dies, ohne die Rechtssicherheit des Planes zu gefährden.

kai-gerfelder

Lassen sie mich aber noch etwas Grundsätzliches vorausschicken: Ich möchte zunächst nochmal betonen, dass ich und meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion die Arbeit der Regierungspräsidentin und ihrer Fachabteilungen durchaus schätzen. Eigentliche alle - oftmals auch umstrittenen Vorlagen - sind in der Vergangenheit aus unserer Sicht ordnungsgemäß abgearbeitet worden und haben uns eine gute Entscheidungsgrundlage geboten. Auch heute finden wir eine solche Vorlage zum Abweichungsverfahren Taunusstein auf der TO.

Umso mehr hat es uns verwundert, dass wir mit der Vorlage des TPEE 2018 zur Kenntnis nehmen mussten, dass ohne Rücksprache entscheidende Veränderungen bei der Bewertung von Flächen vorgenommen wurden, die sich nicht im gemeinsam erarbeiteten, schlüssigen Plankonzept wiederfinden.

Es lohnt an der Stelle ein Blick in die Historie: Als Ziel des Hessischen Energiegipfels, für dessen Ergebnisse die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Hessischen Landtag unter Federführung des damaligen Hessischen Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Florian Rentsch (FDP) verantwortlich zeichnen, wurde einen grundlegender Umbau der Energieversorgung beschlossen. Zentrales Ziel war und ist die 100prozentige Deckung des Endenergieverbrauchs durch Erneuerbare Energien in Hessen bis zum Jahr 2050.

Wichtigster Baustein ist die Nutzung der Windenergie in einem Gesamtumfang von 28 Terrawattstunden im Jahr. Für deren Erzeugung sollen insgesamt zwei Prozent der Landesfläche in Hessen in Anspruch genommen werden. Im Gegenzug sollen die restlichen 98 Prozent der Landesfläche von der Nutzung der Windkraft mittels der so genannten Ausschlusswirkung freigehalten werden.

Mit der zweiten Änderung des Landesentwicklungsplanes Hessen (LEP) vom 11. Juli 2013 wurde dieses und weitere Ziele in ein für die Träger der Raumordnung - also für uns - rechtsverbindliches Konzept gegossen. Seit dem Jahr 2013 arbeiten die beiden Verwaltungen von Regionalverband und Regierungspräsidium nunmehr gemeinsam mit den politischen Gremien an der Umsetzung dieser Vorgaben. Ein 92seitiger Kriterienkatalog, der als „schlüssiges Plankonzept“ die potentiellen Windvorrangflächen in Südhessen nach einheitlichen Maßstäben filtert, wurde mit dem Beschluss beider Häuser über die erste Offenlage im Jahr 2016 Grundstein für die heutige Flächenausweisung.

Im Zuge der Beratungen wurde schnell klar, dass die Sondersituation im Rhein-Main-Gebiet mit einem der größten Flughäfen Europas zu erheblichen Konflikten mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) führt. Etwaige Auswirkungen von Windkraft- auf Flugsicherungsanlagen können nur im Einzelfall geprüft werden. Wir haben uns daraufhin geeinigt, in diesem einzigen Falle eine Sonderkategorie „Vorranggebiet ohne Ausschlusswirkung“ einzuführen und die von der DFS-Problematik berührten Flächen in dieser Kategorie abzubilden.

In der Vorlage des Teilplans 2018 erscheinen nun aber Flächen in dieser Kategorie, die der Problematik der geologischen Formation „Taunusquarzit und Hermeskeil“ unterliegen. Es handelt sich dabei nicht nur um die „Hohe Wurzel“ sondern um weitere Flächen im Taunus.

Die Problematik „Taunusquarzit und Hermeskeil“ ist im verabredeten schlüssigen Plankonzept jedoch überhaupt nicht thematisiert. Sie resultiert aus einer möglichen Gefährdung der Wasserschutzgebiets-Zone III. Letztere wiederum stellt kein Ausschlusskriterium nach dem „schlüssigen Plankonzept“ dar. Hier sind lediglich die Wasserschutzgebietszonen I und II als harte Tabu-Kriterien (Seite 29) ausgewiesen. Wir können deshalb nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet in diesem Punkt eine Kategorie „Vorranggebiet ohne Ausschlusswirkung“ auf Grund des Vorkommens von Taunusquarzit eingeführt wurde. Diese Kategorie ließe sich diesem Beispiel folgend auf viele andere Fälle insbesondere des Artenschutzes übertragen – Bernd Röttger hat dies bereits ausgeführt. Viel schwerer wiegt aus unserer Sicht aber, dass diese Veränderungen ohne vorherige Absprachen vorgenommen worden sind.

Grundlegend irritiert hat uns aber die Aussage der Regierungspräsidentin zu einer etwaigen Entscheidungsfreiheit der Mitglieder der RVS in Bezug auf einzelne Flächen im Rahmen ihres FAZ Interviews vom 30. November 2018. Ich wiederhole hier nochmal das Zitat:

„Es ist nicht Aufgabe einer Fachbehörde der Regionalversammlung einen um strittige Flächen bereinigten Plan vorzulegen. Die politische Entscheidung über die Flächen hat in der Regionalversammlung zu erfolgen.“

Meine Damen und Herren,

den Mitgliedern der Regionalversammlung ist in den vergangenen Jahren stets eingeimpft worden, dass die Ziele des Landesentwicklungsplanes und damit die Rechtssicherheit des Planes nur dann zum Tragen kommen, wenn alle Fläche nach gleichen Maßstäben beurteilt worden sind. Aus diesem Grund haben die großen Fraktionen im Hause gemeinsam das bereits mehrfach erwähnte schlüssige Plankonzept erarbeitet, das nach einem einheitlichen Kriterienkatalog den gesamten Südhessischen Raum beleuchtet und sukzessive nach harten und weichen Kriterien so lange „absiebt“, bis der Windkraft einheitlich substanzieller Raum zur Verfügung steht. Verblieben sind nach dieser Konzeption nun 1,7 Prozent der Fläche in der Gebietskulisse. Damit wurde das ursprüngliche Zwei-Prozent-Ziel des LEP verfehlt. Unter Berücksichtigung der besonderen Situation durch den dicht besiedelten Ballungsraum Rhein-Main scheint diese Größenordnung für eine Genehmigung wohl aber noch vertretbar.

Es stellt sich jedoch die Frage wo, wie und in welcher Form vor diesem Hintergrund auf dem Wege der politischen Entscheidung noch Flächen gestrichen werden können? Jede Flächenstreichung entsprach unserer und ihrer bisherigen Rechtsauffassung folgend einer Willkürentscheidung zu Lasten des schlüssigen Plankonzeptes und machte ihn rechtlich angreifbar. Gleichzeitig bedeutetet jede Flächenstreichung zudem eine weitere Verminderung des substanziellen Raums und gefährdete nach der bisherigen Auffassung die Genehmigungsfähigkeit.

Frau Regierungspräsidentin,

Sie müssen auf schnellstem Wege dafür Sorge tragen, dass über die Frage des politischen Spielraums bei der Entscheidung über die verblieben Vorrangflächen Klarheit geschaffen wird! Diesen Sachverhalt gilt es nicht allein im Regierungspräsidium zu klären, sondern mit der Obersten Landesplanungsbehörde zu erörtern und entsprechend den Mitgliedern der RVS schriftlich darzulegen!

Sollten sich solche Ermessenspielräume abweichend von der bisherigen Argumentation tatsächlich ergeben, wollen wir auch wissen in welcher Größenordnung und unter welchen Voraussetzungen. Bis diese Frage nicht endgültig geklärt ist, kann und wird es keine Entscheidung zum Teilplan geben!

Es wiegt schon schwer genug, dass sich die FDP-Fraktion die maßgeblich am Energiegipfel beteiligt war, nicht mehr ihrer zugewiesenen Aufgabe in der Planungshierarchie gerecht wird und sich der Beschlussfassung durch fundamentale Ablehnung entzieht.

Wir gehen davon aus, dass durch das FAZ-Interview nur fälschlicherweise der Eindruck entstanden ist, dass sich nun auch noch die grüne Regierungspräsidentin angesichts der großen Widerstände zumindest verbal „vom Windkraft-Acker“ macht. Sollte die alleinige Verantwortung für den Plan wie auch durch viele andere Grüne vor Ort (Odenwald) der großen Koalition in der RVS zu übertragen werden, werden wir dies entsprechend würdigen.

Meine Damen und Herren,

uns ist in den vergangenen Wochen unterstellt worden, wir würden die Beschlussfassung über den Plan verzögern. Wie sie den Ausführungen von Bernd Röttger als auch meinem Beitrag entnehmen konnten, gibt es sehr gute Gründe, heute nicht zu entscheiden und der Rechtssicherheit des Planes Vorrang einzuräumen.

Am vergangenen Mittwoch haben wir in der Verbandskammer außerdem bewiesen, dass wir in der Kooperation zu den Verabredungen stehen und durchaus gewillt sind, möglichst schnell eine Beschlussfassung herbei zu führen.

Ich bin mir auch sicher, dass das Regierungspräsidium und die Regierungspräsidentin bereit und in der Lage sind, die offenen Fragen schnell zu klären und etwaige Mängel zu beseitigen. Wir sind zu einer Zusammenarbeit weiterhin gerne bereit.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!